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"Führung" - was ist das? Wie geht das?


Lemmy

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Hallo

Angeregt durch ein aktuelles Thema möchte ich mich kurz zum Thema "Führung" äußern, denn immer und immer wieder wird neuen, alten, frischen, verkalkten, sympathischen und unsympathischen Hundehaltern empfohlen, "doch endlich mal Führung zu übernehmen".

Und hey, das wäre auch komplett mein Rat, denn seit ich das getan habe, läuft es hier einfach besser.

Problem erkannt - Problem gebannt?

Pustekuchen!

Wie bitte "übernimmt man Führung"?

Es ist ja nicht einfach nur Kommandos geben - dann wäre es ja kein Problem. "Sitz" sagen kann ja jeder ;)

Und es ist noch nicht einmal eine Frage der Erziehung - denn jeder Hund kann den Trick "Sitz" lernen, wenn an ihm den richtig beibringt.

Ein Hund kann 100% sicher und gut "Sitz" ausführen, dich aber dennoch nicht ernst nehmen.

Für mich ist Führung nicht einfach nur eine Frage der Befehlskette, oder der Abhängikeit. Ich bin kein Futterwerfer, Dosenöffner oder Hunde-Halter (das sind die, die den Hund halten - am ausgestreckten Arm bei straffer Leine). Ich werfe keine Wattebäusche und schlage und trete meine Hunde nicht.

Führung - so wie es ideal wäre - beruht auf Respekt. Auf Vertrauen, Verständnis und Toleranz. Das bedeutet einerseits, dass ich mal beim Hund fünfe grade sein lasse, andererseits aber auch, dass der Hund im Zweifel weiß, was ich will und was nicht. Und es dann auch nicht tut, bzw tut ;) Für MICH, denn für ihn wäre ein Ignorieren ja oft spannender und cooler.

Das Problem bei der ganzen Führungsgeschichte ist in meinen Augen das, dass man zwar merkt, wann man die Führungsrolle übernommen hat - es macht einfach "klick" und es GEHT, was vorher NICHT ging - ohne großes Bohey und Juppieduu - aber leider nicht erklären kann, warum es auf einmal klickt.

Die vielberühmte "Bindung" ist nicht alles, bzw sie ist oft - sicher auch von Trainern und Hunderatgebern - schlicht falsch vermittelt. Bindung heißt nicht, dass der Hund dich immer supergeil finden muss.

Eine Bindung zum Halter liegt ja schon dann vor, wenn der Hund nach einer 2-stündigen Jagd zurück kommt und dich wiederfindet. Ganz klar - Hund hat Bindung zum Herrn. Mancher sieht das anders, ich aber finde schon, dass die Tatsache dass der Hund nicht einfach mal nen neuen Halter sucht auf eine stabile Bindung beruht.

Das alleine ist aber nicht gleichzusetzen mit "Führung". Ich kann einen Hund haben, der mich liebt, braucht, schützt und immer zu mir zurück kommt - der mich vermisst und betrauert, wenn ich weg bin, oder sterbe. Das heißt aber noch lange nicht, dass er mich und meine Entscheidungen respektiert :D

Gehen wir mal in die Menschenwelt, und, weil es sich anbietet, ins Militär.

Nun widerstrebt es vielen, militärisch zu denken, man kann meinetwegen auch einen Betrieb als Beispiel heranziehen - dort verwischen aber die Ränge zu oft, drum nehme ich das Militär

Eine rein hierarchische Welt. Ganz oben steht ein General, dann seine direkten Untergebenen, dann deren Untergebene und ganz am Ende stehen die Feldwebel.

Ganz klar, dass der niedrigste Dienstgrad dem nächsthöheren zu gehorchen hat, und wohl auch im Zweifel den noch höheren, unter Umständen ist auch der General/die Generälin sein direkter Vorgesetzter.

Das ist so vorgeschrieben, und wird auch so befolgt (denk ich mal :D ) und dennoch sagt das null über die tatsächlichen Führungsqualitäten der Vorgesetzten aus. Im Ernstfall (Krieg zB) gibt es mit Sicherheit Majore, denen man lieber folgen würde als einem Oberst, schlicht weil eventuell Herr Oberst keinen Schimmer hat vom Kriegführen oder weil seine Intuition und seine Menschenkenntnis gleich Null sind. Manch ein General würde unter Umständen wohl auch einem Feldwebel folgen, wenn dieser mehr Erfahrung und auch körperliche wie geistige Präsenz hat.

Gedacht ist, dass die die oben lenken mehr Ahnung haben und dass die Guten dann von unten nach oben nachrücken.

Dass die direkte Führung von Soldaten im Feld zB anders gehandhabt werden muss als die Führung des großen Ganzen - immerhin kann ein General nicht jede einzelne Einheit im Kopf haben, und ein ... weiß grade nicht, wer die Einheiten so befehligt :think: - egal, nehmen wir mal Leutnant (rausgepickt) nicht jede Einheit der Streitkräfte im Kopf haben kann.

Man braucht demnach an der Führung von Einheiten eine Person, die a) handeln kann B) das Wohl seiner Männer/Frauen im Kopf hat c) das Ziel vor Augen behält d) den Kopf behält auch wenn es eng wird und e) auch weiß, wen man wofür einsetzen kann und wo wer seine Grenzen hat.

Es hilft ja nix, jemandem das Funkgerät zu geben, der im Getümmel den Kopf verliert und nicht mehr weiß was er sagen soll, oder jemandem den Kompass anvertraut, der leider bekannt ist dafür, kleine Dinge zu verbummeln ;)

Jemand der das nicht kann, der nicht weiß wie seine Leute ticken und/oder der den Kopf verliert wenn es ernst wird ... dem wird man nicht lange folgen. Egal, wieviele Bänder oder Sterne auf seiner Schulter kleben, im Ernstfall ist es wichtiger, was diese Person leisten kann und wie vernünftig seine Entscheidungen sind.

Zunächst mal sind die Ränge dazu gedacht, dass man ihnen folgt - dass diejenigen die etwas können - die DAS können was wichtig ist - auch in den entsprechenden Positionen sind. Idealerweise ist das so. Stimmt es aber nicht, aus welchem Grund auch immer, gibt es Probleme, im schlimmsten Fall fatale Probleme.

Kommt es vor, dass eine Entscheidung eindeutig falsch war, ein Befehl sinnlos und gefährlich oder dumm, dann bröckelt das Vertrauen der Soldaten in den Vorgesetzten.

Es wird immer jemanden geben, der dennoch auf die Befehlsstruktur vertraut, der darauf (blind?) vertraut, dass "die da oben" es besser wissen, aber eben auch genug Menschen, die anhand der Fehlerquote -bewusst oder unbewusst - eine Bewertung vornehmen. Je mehr es daneben geht, desto weniger Vertrauen ist da. Je öfter der Chef Schei*e baut, desto weniger Bereitschaft besteht, ihm zu folgen wenn es ums Ganze geht.

Entweder, man sucht sich einen "Ersatzchef" - also einen aus der Kompanie, der eindeutig weiß wie es läuft (bzw einen der sehr glaubhaft so tut als ob :D ) - oder nix läuft mehr. Meuterei, im schlimmsten Fall.

Zurück in die Hundehalterwelt:

Eigentlich ist doch alles gesagt. Ein Chef ist nicht nur jemand, der die Kommandos schwingt, weil er von irgendwem dazu ermächtigt wurde. Ein echter! Chef weiß wie die Hunde ticken, weiß wo die Schwächen liegen, vertraut auf seinen Hund, und der Hund auf ihn.

Ein echter Chef gibt nicht nur Befehle sondern gibt sie erst dann, wenn sie nötig sind, und manchmal gibt er eben keine. Ein guter Hundechef weiß schon (fast) vor dem Hund, wie der Hund gleich reagieren wird - auch wenn er nicht so gut hören und riechen kann wie sein Hund.

Er kann aber die Befehle, wenn sie denn nötig sind, im Zweifel auch durchsetzen.

Er/sie merkt was der Hund tut, sieht es, nimmt Vorschläge, Hinweise etc an, die ihm der Hund gibt - und reagiert. Entweder mit dem Hund, oder aber gegen ihn, aber niemals blind.

Und je weniger Befehle gegeben werden, umso weniger Befehle werden mit der Zeit nötig.

Wow, das klingt doch super, oder?!

Leider ist es nicht so einfach :( Man wird nicht über Nacht zur perfekten Hundeführerin. Bzw es wird wohl solche Leute geben, aber eben nicht überall.

Man kann aber lernen. Und weiterlernen und immer mehr lernen, denn jeder Hund ist anders, reagiert anders, reagiert schneller oder langsamer, deutlicher oder schwammiger.

Dass ich (ich hoffe dauerhaft) zur Zeit mit meinem Hund im "Flow" bin, ist unglaublich schön. Es passt einfach, wir sind uns einig, er fragt nicht jeden Schritt nach, hält aber Rücksprache mit mir. Ich starre ihn nicht permanent an, sehe aber dennoch sein Ohrenzucken und seinen interessierten Blick nach links, rechts, geradeaus.

Ich kann ihn vom Buddeln wegrufen - tue es aber nicht immer. Er darf viel mehr (zB weiter vorlaufen), nutzt seine Freiräume aber viel weniger.

DAS ist das, was gerne mit "Bindung" gemeint ist - aber huuho, das ist nicht einfach mit Ballspielen und Fahrradfahren, oder Leckerbeutel und Reizangel erreicht. Es ist für mich zumindest auch nichts, was ich als Rezept jedem in die Hand drücken kann.

Das einzige was ich wirklich jedem ans Herz legen kann ist, dass man viel, viel mehr darauf achtet, wie der Hund mit uns "spricht" und WAS der Hund gerade spricht. Spielt er grade? Wirklich? Ganz sicher?

Zeigt er grade Wild an, oder doch nur einen Vogel oder einen Reiter? Läuft er voraus, oder läuft er weg?

All das ist DA, der Hund SAGT es uns, wir müssen aber doch scheinbar viel mehr hinschauen lernen und verstehen lernen, bevor wir uns anmaßen können, tatsächlich den Hund zu führen.

Ihn zu lenken, auszubilden, erziehen - all das ist davon halbwegs unabhängig (obwohl es die Führung im "Ersntfall" erleichtert, keine Frage). Hunde auszupowern heißt nicht sie zu führen, und einen Hund, der einem deutlich sagt dass er keinen Bock auf Agility oder Apportieren hat dazu zu bringen (mit Keks oder Zwang) weil WIR es wollen führt ganz sicher nicht dazu, dass wir uns Respekt erarbeiten. Bestenfalls zum Gehorsam, schlimmstenfalls zur Angst.

Wie gesagt, ich kann nicht sagen "mach a, b und c und dann ist deine Führungsqualität auf 100%". Das geht so nicht. Wieder im Militärbereich: auch wenn man den Offizier 1.000 mal zum Personal-Fühungs- und Management-Training schickt und ihm das Handwerszeug zum guten Chef mitgibt, dann macht das noch lange keinen Instant-Chef, wenn die menschlichen Grundlagen fehlen.

Hilfreich kann das sein, keine Frage! Auch für Hundehalter ist es nicht verkehrt, ein wenig "Personalmanagement" zu lernen - in einer Hundeschule zB ;) - aber auch hier: das Wissen alleine macht den Kohl nicht fett, und Herrn Huber nicht zum Hundeprofi.

Und dass jemand mit 19 Jahren und dem ersten Hund nicht die gleichen Fähigkeiten im Hundesprache-lesen hat, und haben kann, wie jemand der seit x Jahren Hunde hält, ist klar. Sollte zumindest klar sein :)

Die Bereitschaft zum Lernen, allerdings, ist altersunabhängig. Jeder kann lernen, wenn es gewollt ist. Manche müssen mehr lernen, manche schaffen es im Schlaf. Manche sprechen "Hund" von Kindesbeinen an, und für einige bleibt es für immer eine Fremdsprache.

Ach so: gut aufgebautes Mantrailing bewirkt übrigens Wunder beim Lesen-Lernen, habe ich festgestellt :) Ist zwar nicht alles, hilft aber schonmal :yes:

So. Ich habe fertig :D

ich würde mich freuen, wenn hier noch mehr Ideen kommen, die einem lernwilligen Hundehalter auf die Sprünge helfen könnten, tatsächlich Hundeführer zu werden :)

Oder habe ich hier Müll geredet? Seht ihr das anders? Wenn ja, wie?

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Puh ,

Hut ab für und vor dieser Fragestellung ! ;)

Das wird ein langer Thread...

An der Antwort muß ich etwas nagen , aber :

Führung und Bindung sollten etwas sauberer getrennt werden ,

im Sinne was ist das Eine - wo arbeitet das Andere .

Nein , Zusammenhänge bestreite ich keineswegs !

Der Vergleich mit menschen / militär ist unnütz.

Menschen sind in der Lage so zu tun als würde man sie führen....

Hunden würde dies niemals einfallen.

LG Jörg

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mialour

:kuss: Das hast du super beschrieben, danke!

Edit:

Jörg, der Vergleich mit dem Militär ist deshalb gut, weil es egal ist ob der Mensch so tun kann oder der Hund es nicht kann.

Es kommt darauf an, wem er im Zweifel folgen will und keiner (weder Mensch noch Hund) folgt jemandem gern, der keinen Plan von nix hat.

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Dankeschön das du es so schön erklärt hast, langsam verstehe ich auch was ihr damit meint :knuddel Ich hoffe dieses klick setzt auch bald bei mir ein.

Ich werde den thread nun aufmerksam mitlesen und hoffe das er nicht durch irgendwen kaputt gemacht wird, wie viele diskusionen hier!

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steffen

Führung kommt von innen, ist eine Frage der inneren Einstellung.

Man kann nicht führen wollen. Das tut man, oder man tut es nicht. Tut man es nicht und erkennt diesen Mangel hilft kein Üben, Lernen, Wollen.... Die innere Einstellung muss sich änden.

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Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenige HH sich Gedanken über das Wesen ihres Hundes machen.

Gerade auf einem gemeinsamen Spaziergang, die HH reden miteinander, die Hunde beschäftigen sich mit sich.

Ab und zu fliegt mal ein Ball.

Aber eigentlich müssten doch alle mit dem Beobachten ihrer Hunde beschäftigt sein, vor allem wennn es noch junge Hunde sind.

Um Führen zu können, muss ich wissen, wen ich da eigentlich führe.

Besser als Frederike kann ich es nicht ausdrücken.

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Miemingborders
Originalbeitrag

Der Vergleich mit menschen / militär ist unnütz.

Menschen sind in der Lage so zu tun als würde man sie führen....

Hunden würde dies niemals einfallen.

LG Jörg

Hey Jörg. Da möchte ich widersprechen. Wenn ich meinem Hund jemandem in die Hand drücke, dann lässt er sich problemlos Führung suggerieren. Auch wenn der Mensch keinerlei Kompetenz in dieser Hinsicht hat. Ich habe oft das Gefühl, dass er gerade bei solchen Menschen aber eben auch schnell dahinter kommt.

Das heißt in einer fragwürdigen Situation lässt er dann diese Person wirklich die Situation leiten, klappt dies nicht 100% zeigt er einem ganz ganz konsequent was für eine miese Führungspersönlichkeit man ist. Er akzeptiert dieses "ich tu mal so als könnte ich dir eine Führung und Sicherheit bieten" so lange wie er für sich in "einfachen" Situationen damit klar kommt nur mindermäßig geführt zu werden. Und in den anderen Situationen führt er die Leute dann legendär vor und veranschaulicht die Führung ;)

Lg

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Hm,

Originalbeitrag

Es kommt darauf an, wem er im Zweifel folgen will und keiner (weder Mensch noch Hund) folgt jemandem gern, der keinen Plan von nix hat.

Menschen sind aber inder Lage zu "folgen" , auch wenn es ihnen widerstrebt.

Gerade das Militär hat Musterbeispiele dafür...

Bei Hunden...... :Oo

Aber ich will mich ob der spannenden Fragestellung da nicht festbeißen .

Ich denke eben , die Antwort findet sich eher bei Hunden , als beim Militär

klappt dies nicht 100% zeigt er einem ganz ganz konsequent was für eine miese Führungspersönlichkeit man ist. Er akzeptiert dieses "ich tu mal so als könnte ich dir eine Führung und Sicherheit bieten" so lange wie er für sich in "einfachen" Situationen damit klar kommt nur mindermäßig geführt zu werden. Und in den anderen Situationen führt er die Leute dann legendär vor und veranschaulicht die Führung Lgzitieren

.... das wollte ich doch ausdrücken , danke für das beispiel - warum der Widerspruch ??

LG Jörg

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Ja es ist so: Manche Menschen habens drauf und andere nicht.

Jacky gehorcht bei mir schlecht und ist oft unaufmerksam - sobald ich seine Leine meiner guten Hundebekannten in die Hand drück gehts plötzlich.

Problem liegt also eindeutig an mir... :Oo

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