Zum Inhalt springen
Registrieren

"Versager-Hund" - eine Mahnung an Ambitionierte


SabineG

Empfohlene Beiträge

SabineG

Ich möchte euch was erzählen, was mich seit gestern sehr betrübt.... ich rief meine Mutter an und in diesem Gespräch erfuhr ich zufällig etwas, was mehr als vierzig Jahre zurückliegt. Die Geschichte wird etwas länger, sorry...

Ich war damals sechs oder sieben Jahre alt. Meine Mutter hatte zu unserem Airedale Terrier einen zweiten Hund dieser Rasse gekauft, ebenfalls ein Rüde, Axel hieß er.

Sie war damals im "Polizeihundesportverein" wohin ich sie als Kind zu den Übungstagen immer begleitete. Was ich davon in Erinnerung habe sind Männer, die ihre Hunde anschreien und schlagen um sich anschließend beim Skat die Hucke vollzusaufen.

Damals als kleines Kind habe ich mich schon gefragt was diese Männer so schön daran finden, wenn ihre Hunde in geduckter Haltung neben ihnen her schleichen, eigentlich immer in der Erwartung, geschlagen oder anderweitig gestraft zu werden. Der Leinenruck war damals sicher noch die harmloseste Variante des Bestrafens.

In Erinnerung habe ich, dass meine Mutter ihre Hunde anders behandelte, Gott sei Dank. Allerdings war unser Riesenschnauzer später (zu meiner Teenagerzeit) tagsüber immer im Zwinger und nicht im Haus. Heute wäre meine Mutter zu so einer Haltung längst nicht mehr bereit.

Zurück zur Geschichte. Unser älterer Airedale war gut in den Bereichen Unterordnung und Schutzdienst, Fährte war nicht so sein Ding. Axel, der jüngere, war glaube ich in allen Bereichen ganz gut.

Er hatte bereits die SchH1 und 2 und "versagte" in der SchH3. Dies und die Folgen die das hatte, erzählte meine Mutter mir gestern zum ersten Mal.

In der Prüfung zur SchH3, zu der der Hund offenbar noch nicht bereit war, gab es bereits ein Problem beim Apport des Bringels. Beim Schutzdienst agierte der Hund dann überhaupt nicht mehr - durchgefallen, klar.

Im Anschluss redeten die Mistkerle aus dem Verein dann so lange auf meine Mutter ein, bis sie den Hund endlich verkaufte. Ich kann´s nicht fassen.

Schon zuvor, auch dies erfuhr ich gestern, hatte es einen Übergriff auf den Hund gegeben. Er hatte wohl immer Schwächen beim Apportieren, hielt das Holz nicht fest, und da sagte einer der Übungsleiter, dies könne man "nur mit Zwangsapport hinkriegen". Er ließ sich den Hund von meiner Mutter übergeben und ging mit ihm in den Wald. Ich habe keine Ahnung was da geschah, aber der Mann kam mit zerbissenen Händen zurück wie meine Mutter gestern sagte.

Nach diesem Gespräch gestern bin ich eigentlich immer noch fassungslos. Ich weiß aus eigener Erfahrung wie leicht man einem Gruppendruck erliegen kann, ich selbst habe zum Glück früh genug die Kurve gekriegt und bin aus einer hochambitionierten Agigruppe mit Ollie ausgestiegen weil ich gemerkt habe, dass ich begann, Ollie unter Druck zu setzen um mit den anderen mithalten zu können.

Meine Mutter hat es damals leider nicht geschafft, sie hat sich zu sehr beeinflussen lassen. Und gestern sagte sie, dass sie das auch noch heute, nach mehr als vierzig Jahren sehr, sehr belastet. "Der arme Hund!" sagte sie gestern, "was habe ich ihm nur angetan!"

Sie schämt sich für das was sie damals gemacht hat.

Heute wird, so denke ich, in weniger Vereinen als früher so hart mit den Hunden umgegangen wie es damals üblich war. Jedoch gibt es auch heute noch viele Hundesportler, die ihren Hund als Sportgerät missbrauchen, überfordern, weggeben wenn er ihre Erwartungen nicht erfüllt. Wer ein Gewissen hat, wird vielleicht eines Tages selbst darunter leiden, so wie meine Mutter jetzt seit vielen Jahren.

Ich habe das aufgeschrieben um zum Nachdenken anzuregen. Und auch, um es mir von der Seele zu schreiben.

Link zu diesem Kommentar

Wenigstens durfte der Hund sich noch wehren, indem er dem Kerl in die Hände gebissen hat, hoffentlich tat das richtig weh :(:kuss:

Ich habe mir kürzlich auch mal die Homepage eines Hundevereins für Dackel angesehen, war am überlegen da mal hinzugehen.. mittlerweile habe ich davon Abstand genonnen, weil es offenbar nur um Urkunden, Ausstellungen und Wettbewerbe geht, viele haben auch einen Jagdschein. Alles in allem nichts für mich.

Da gibt es weitaus schöneres und auch wichtigeres, was ich mit meinem Hund machen kann, für sowas brauch ich ihn nicht.

Bei allem was man macht, sollte der Spaß und vor allem das Wohl des Hundes ganz klar im Vordergrund stehen, niemals der eigene Ehrgeiz. Dann ist sicher so ziemlich jede Sportart toll.

Link zu diesem Kommentar
SabineG
Originalbeitrag

Bei allem was man macht, sollte der Spaß und vor allem das Wohl des Hundes ganz klar im Vordergrund stehen, niemals der eigene Ehrgeiz. Dann ist sicher so ziemlich jede Sportart toll.

Diese Ansicht vertrete ich genau so. Ob mit Pferd oder Hund, mir war immer wichtig dass das, was wir tun, uns beiden Spaß macht.

Link zu diesem Kommentar

Eins ist mir eben noch eingefallen: Du schreibst, das ganze war vor etwa 40 Jahren. Es dürfte in dem Verein auch einige gewesen sein, die sich noch deutlich an den Krieg erinnert haben.. da hatte man keinerlei Achtung vor Menschenleben, wie soll man es dann bei Tieren anders können.. ist nur so ein Gedanken und vielleicht auch ein Irrtum, ist mir nur so eingefallen.

Link zu diesem Kommentar
Missyble

Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Das tut mir für den Hund, aber auch für deine Mutter sooooo leid! Ich kann verstehen das sie es belastet, und dich jetzt warscheinlich auch.

Der Gruppendruck, ja, im Hundeverein, aber auch im normalen Alltag. Es gibt da eine Geschichte, die ich auch dazu beitragen kann. Sie betrifft mich und meinen 1. eigenen Hund, Hades.

Ich habe mir vor knapp 4 Jahren meinen 1. Hund zu mir geholt. Einen Jack-Russel-Terrier Mischling. Alle schlugen die Hände über den Kopf zusammen, wie ich sowas nur tun könnte, ob ich diese Rasse schon mal gesehen hätte und mir bewusst wäre, wie hyperaktiv sie wären. Sie würden nur kläffen und wären Wadenbeißer. Als Hundeanfänger (ich hatte ja wirklich überhaupt keine praktische Erfahrung) wäre das der absolut falsche Hund für mich.

Ich hatte mir zu dem Zeitpunkt jedoch sehr genau überlegt welche Rasse ich zu mir holen wollte. Ich habe nicht einen Hund gewählt der mir gefällt, sondern einen der zu uns passt. Wäre ich nach meiner Traumrasse gegangen, wäre es ein Rottweiler geworden, wäre es nach der Traumrasse meines Freundes gegangen, wäre es ein Schäferhund geworden. Also, ich machte mir durchaus Gedanken welcher Hund, welche Rasse zu uns passen könnte und so holte ich mir den Jack-Russel-Terrier Mix, Hades.

Natürlich wollte ich einen gut erzogenen Hund, ich wollte nicht hinterher jammernd dastehen und mit dem Hund todunglücklich sein. Ich bin also brav in die Hundeschule gegangen, habe einen Haufen Bücher gelesen, habe mich in Foren eingelesen und habe mir die "Hundeprofis" im Fernsehen angesehen.

Hades war klasse, wir haben alles sehr gut hinbekommen, mein Timing beim Training war sehr gut und wir waren in der Hundeschule die Streber. Hades lief auf den Spaziergängen immer frei, war kein überdrehter, hyperaktiver Jack-Russel und es lief alles bestens, bis auf die Leinenführigkeit, die wir auch, außer in der Hundeschule, nie brauchten.

Also lies ich mir von dem Trainer zeigen wie ich die Leinenführigkeit trainieren konnte. Hades, der arme kleine Kerl flog dabei Meterweit über den Hundeplatz am HALSBAND!!! Ich hatte wirklich Angst das der Trainer ihm das Genick bricht, habe aber nichts gesagt, denn es war ja der Trainer, der Trainer der sich ja mit Hunden auskennt und weiß wie es geht. Ich war ein Hundeanfänger und die einzige mit einem kleinen Hund in einem Boxerverein.

Heute bereue ich sehr, nicht SOFORT eingegriffen zu haben. Ich würde soetwas heute nicht mehr zulassen, aber damals.... naja. Ich schäme mich heute noch, dass ich zugelassen habe das Hades soetwas erleben musste. Das ich zugelassen habe das er so durch die Luft flog.

Es ist natürlich nicht vergleichbar mit deiner Geschichte, aber es zeigt doch, wie leicht man sich von "Autoritätspersonen" einschüchtern lassen kann. Bzw. das man sein eigenes Bauchgefühl ignoriert, weil man ja keine Ahnung hat und sich Hilfe bei einem Problem erbeten hat.

Wir sind übrigens weiter in den Verein gegangen, wir haben die BH als jüngste Truppe und als beste bestanden. Die Leine habe ich nicht mehr aus der Hand gegeben. Heute bin ich nicht mehr in dem Verein, weil mir immer mehr Dinge nicht gefallen haben. Die Leinenführigkeit ist immer noch nicht gut. Aber wenn ich ihm das entsprechende Komando gebe, läuft er sowieso neben mir und normalerweise brauchen wir die Leine nie. Also finde ich es überhaupt nicht wichtig in unserem Fall, dass er nicht so gut an der Leine gehen kann.

Hades ist ein super kleiner Kerl geworden, der allen gezeigt hat, das es auch normale Hunde dieser Rasse gibt. Und ich finde ein Hund braucht nicht perfekt zu sein. Es sollte im Zusammenleben funktionieren und man muss nicht in ALLEM perfekt sein, egal ob man es braucht oder nicht.

Link zu diesem Kommentar
Rosemont

Eine sehr beklemmende Geschichte... Ich hoffe, deine Mutter kann sich eines Tages verzeihen. Es ist sicher keine Entschuldigung, aber es waren andere Zeiten. Der Mensch ist trotz seiner Intelligenz manchmal sehr langsam, was Umdenken angeht. Deine Mutter ist diesen Leuten schon deshalb meilenweit voraus, weil sie für sich erkannt hat, dass diese "Erziehungsmethoden" alles sind, aber keine Grundlage für ein schönes Miteinander.

Link zu diesem Kommentar
SabineG

Sonja, du hast Recht, auch bei mir gab es Zeiten, in denen ich einer "Autoritätsperson" vielleicht die Leine in die Hand gegeben hätte.

Ich bin sehr froh, dass diese Zeiten längst vorbei waren als ich auf dem Hundeplatz (auf dem ich noch recht neu war) folgendes beobachtete:

Die Hundeführer bildeten mit ihren Hunden eine Gasse, an deren einem Ende ein Hund abgesetzt wurde. Vom anderen Ende her wurde er dann abgerufen. Abgesehen davon dass ich es nicht unbedingt befürworte dass Hunde genötigt werden, sehr nahe an anderen vorbei zu rennen, passierte es dann, dass ein jüngerer Hund nicht bis zum Abruf warten konnte.

Dreimal stand er verfrüht auf. Dann ging ein Übungsleiter hin, packte den Hund an den Backen und hob ihn hoch, um ihn dann unsanft wieder abzusetzen.

Und da hörte ich mich ohne vorher zu überlegen sagen: "Wenn irgendjemand auf die Idee kommt das mit meinem Hund zu machen, gibt es hier ganz großen Ärger!"

Früher hätte ich mich wahrscheinlich nicht mal getraut das zu sagen.

Link zu diesem Kommentar

Ich finde auch das Deine Mutter sich keine allzu großen Vorwürfe machen sollte, sie war ja damals schon weiter als ihre Vereinsmeyer's ;)

Leider ist es beim Menschen oft so, dass er sich zu schnell vermeintlichen Fachleuten anvertraut, die in Wahrheit keine Ahnung haben. Das Hundetrainer keine geschützte Berufsbezeichnung ist, trägt seinen Teil dazu bei, auch heute noch. Alles was manche wirklich gut können, ist sicheres Auftreten bei absoluter Ahnungslosigkeit.

Hauptsache man kann seinen Unsinn mit der Inbrunst der Überzeugung von sich geben. Einem Menschen mit einem guten Grundvertrauen in andere kann man keinen Vorwurf daraus machen, dass er auf sowas reinfällt. "Schließlich ist er/sie Hundetrainer, er/sie muss es doch wissen" ist sicher ein weitverbreiteter Irrtum.

Wichtig daran ist aber, dass man auf seinen gesunden Menschenverstand hört und solche Scharlatane damit entlarvt.

Link zu diesem Kommentar

Hallo!

Leider gibt es auch noch heute solche Trainer und auch Kursbesucher, die aus Unwissenheit oder fehlendem Mumm nicht eingreifen, wenn ein Hund unfair behandelt wird. :motz:

Was ist denn letzendlich aus dem Airedale Terrier Deiner Mutter geworden?

Wie oft liest man Anzeigen, in denen teilausgebildete Hunde wieder verkauft werden.

Keiner weiss, wie mit den Hunden umgegangen wurden. Oft sind dies dann "tickende Zeitbomben" die bei falscher Handbewegung Angst haben, geschlagen zu werden und dann zubeissen.

Für mich mit ein Grund, um solche Vereine einen Bogen zu machen.

Ich habe aber auch gelernt, nicht still zu bleiben, wenn ich Unrecht gegenüber Tieren sehe. Dann halte ich nicht meine Klappe - auch wenn ich mit doofen Sprüchen rechnen muss. Im Zweifelsfall sollte man sich mit anderen zusammenschliessen und einschreiten, dem Tier zuliebe.

Liebe Grüße

Cony

Link zu diesem Kommentar
SabineG
Originalbeitrag

Was ist denn letzendlich aus dem Airedale Terrier Deiner Mutter geworden?

Ich weiß es noch nicht. Ich war gestern so platt von der Sache und habe auch gemerkt wie nahe meiner Mutter das noch geht, da wollte ich nicht fragen. Ein andern Mal...

Link zu diesem Kommentar

Erstelle ein Benutzerkonto oder melde Dich an, um zu kommentieren

Du musst ein Benutzerkonto haben, um einen Kommentar verfassen zu können

Benutzerkonto erstellen

Neues Benutzerkonto für unsere Community erstellen. Es ist einfach!

Neues Benutzerkonto erstellen

Anmelden

Du hast bereits ein Benutzerkonto? Melde Dich hier an.

Jetzt anmelden
×
×
  • Neu erstellen...