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Deprivationssyndrom


gast

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...ich finde den Blickkontakt zu mir aber nicht ideal für diese Zwecke, denn der Hund muss sich dafür vom Stressor / Auslösereiz abwenden, was er kaum schafft, bzw. ihm sehr schwer fällt.

Warum es sich und dem Hund schwieriger machen, als es sein muss? 

Ich verwende dafür den Handtarget "Stups", der Hund berührt meine Hand mit der Nase und muss sich dafür erstmal nicht abwenden vom Auslöser, später kann ich meine Hand in jede beliebige Richtung halten und erreiche damit, dass der Hund sich vom Auslöser losreissen kann.

Ansonsten vielen Dank für diesen ausführlichen, super erklärten Beitrag!! 

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Handtarget, in ähnlicher Form habe ich auch versucht, mit derselben Begründung.

Aber für Jody (ich spreche hier also wirklich nur von meinem Hund) ist es sinnvoller und einfacher sich von dem auslösenden Reiz abzuwenden. Die kann in der Situation, mit Blick, oder Fokus auf den Reiz auf nichts mehr reagieren. Darum auch die Berührung woraufhin sie sich dann abwenden kann.

 

Blickkontakt ansich finde ich eigentlich eine echt doofe Übung. Hunde haben einen viel weiteren Blickwinkel als wir Menschen und sehen uns auch wenn sie uns nicht anstarren, aber in diesem Fall ist das eine gute Alternative.

 

Ziel ist das sie zukünftig bei einem Außenreiz der ihr nicht behagt den Blickkontakt sucht damit ich ihr aktiv helfen kann. Davon zeigt sie jetzt Ansätze.

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Bayernwoelfe

@KäptnKörk

 

Da kann ich leider keine detaillierte Therapie angeben, da ich ja Hund und Halter nicht kenne.

 

Als ganz grobe Rangehensweise kann man allerdings schon sagen:

- Vertrauen zu dem Halter aufbauen. Dazu ist es erst mal wichtig den Hund von sich aus kommen zu lassen! Fällt den meisten Haltern am schwersten, weil man dem Hund ja unbedingt helfen will.

- Jeden vom Hund initialisierten freiwilligen und ruhigem Beschäftigen mit Halter sofort mit ruhiger Aufmerksamkeit belohnen. Aber erst mal FINGER WEG vom Hund, er muss sich regelrecht sehnen nach unserer Berührung. Abhängig vom Hund und dem Naturell des Halters kann auch Futter dafür zu Hilfe genommen werden.

- Aufmerksamkeitsübung SCHAU MICH AN etablieren. Ist eine positive Übung und vertrauensfördernd.

- Aus dem Halter einen Rudelführer machen an dem sich der Hund gerne orientiert. Nun mag ich das Wort Rudelführer nicht mehr so sehr, weil doch jeder etwas anderes Reininterpretiert aufgrund von Fernsehsendungen oder sonstigem Dominanz-Unterwerfungs-Geschwafel. Daher habe ich kürzlich mit einer Kollegin mit etwas Brainstorming nach einer Beschreibung gesucht die unmissverständlich ausdrückt was für uns einen guten Rudelführer ausmacht. Dabei kam der (zugegebener weise etwas umständliche) Begriff des SOUVERÄNEN ENTSCHEIDUNGSTRÄGER MIT VORBILDFUNKTION heraus :whistle

- Wenn Vertrauen da ist, kann an dem Prinzip der Ruhe und Aufmerksamkeit gearbeitet werden. Ruhe und Aufmerksamkeit werden jedesmal vom Halter positiv bestätigt, Aufregung wird zur Ruhe korrigiert.

- Dann den Hund mit einer von einem erfahrenen Trainer geleiteten Desensibilisierungs-Therapie vorsichtig an alles Neue heranführen.

 

Sehr grob ich weiß, aber mehr kann man nicht sagen ohne die beteiligten Individuen zu kennen. Sorry.

 

LG

Gaby

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Ich differenziere dabei, wann was angebracht, bzw. hilfreich sein könnte.

Es kommt ja darauf an ob der Hund den Blick noch lösen kann.

Hab unten mal die für mich wichtigsten Kernaussagen hervorgehoben:

 

Der "Rausholer" in einer anfänglichen Stressphase basiert auf der klassischen Konditionierung. Doch möchte ich hier gleich mal vorab klar machen dass das Timing des Halters hierfür ausschlaggebend ist. Wenn sich der Hund schon zu lange unter Stress mit seinem Auslösereiz beschäftigt hat (und hier können 2 Sekunden schon zu lang sein), wird er auch den akustisch konditionierten neutralen Reiz nicht mehr wahrnehmen können. ...................

.....................

Der Vorteil der klassischen Konditionierung liegt darin dass der Hund dafür nicht überlegen muss, sondern ein Signal etabliert wird auf das der Hund per Reflex reagiert. ..................

 

 

 

 

 

. Das ist deshalb so wichtig damit ich ein Aufmerksamkeits-Umlenken später auch aus der Distanz einfordern kann. Wenn ich dann erstmal die Aufmerksamkeit des Hundes habe, sind die Erfolgschancen für das Befolgen eines Kommandos nun mal extrem höher als wie unter fixieren der Ablenkung ein Kommando in den Popo hinein gerufen

 

Hier greift also das Prinzip: Was der Hund in den Augen hat, damit beschäftigt er sich auch! Diese kleine Übung ist grundsätzlich ein sehr gutes Hilfsmittel in der Hundeerziehung. Mir ist es wichtig jederzeit die Aufmerksamkeit meines Hundes einfordern zu können, also auch bei den psychisch gesunden Hunden kann es nicht schaden. Aber gerade für die unter Stress leidenden Hunde, kann ich ihm damit mit meiner ruhigen und selbstwussten Haltung DER Fels in der Brandung sein. "Beschäftige dich nicht mit dem großen schwarzen Hund am Horizont, Schau mich an und genieße Deinen Dopaminschuss!"

 

In der Desensibilisierungs Therapie kann es dann wie folgt angewendet werden: Ich lasse den Hund seine Auslösereiz, auf die Distanz die er gerade noch ertragen kann, wahrnehmen. Gleich darauf kommt die Rausholer-Übung, wärhenddessen ich (wenn möglich) die Distanz etwas verringe. Wieder wahrnehmen lassen und auf mich Umlenken. Kurz bevor dann sein Kippschalter am kippen ist, nehme ich den Hund raus und vergrößere wieder die Distanz zum Auslösereiz. Lockere den Hund wieder auf, vielleicht mit einer Massage oder sonstigem was dem Hund gefällt aber NICHT hochpuscht.

So kann man sich in jeder Trainingseinheit etwas mehr dem Auslöserreiz nähern, weil der Hund dem Prinzip der starken Ruhe und Führung vertrauen kann.

 

 

 

Meiner Meinung nach ist das sehr ein spezielles "Schau", nicht zu vergleichen mit normalem Schau=> siehe in den Details schon beim Aufbau und sicher bei reaktiven Hunden eine sehr gute Hilfe, sie noch rechtzeitig rauszuholen, bevor sie ins reflexive Agieren kippen.

Mein Terrorkrümel kann das sehr gut annehmen - viel besser als jede Berührung (die ihn tatsächlich in diesem Stadium und in dem Moment, wo er aber das reflexartige Schau noch ausführen kann, nach vorne einschalten würde).

Bei einem "normalen" Hund mit weniger "wackeligem Kippschalter" greift da meiner Erfahrung nach, immer noch ein aversiv sauber aufgebautes Nein oder "Lass es" und er läßt sich wieder umschalten, klappt aber bei manchen Hunden eben nicht so zuverlässig, wie dieser "Rausholer" bei sehr reaktiven Hunden, die extrem schnell und intensiv abdriften.

Als Hilfsmittel für verschiedene Situationen, um zu verhindern, dass alte Verhaltensmuster angewendet und damit weiter gefestigt werden, mag ich das sehr gerne, praktisch als einen von vielen Bestandteilen beim Desensibilisierungstraining.

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Bayernwoelfe

Danke JA - der Rausholer ist wirklich nur einer von vielen Bestandteilen der Desensibilisierungs Therapie!

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Meine Hündin saß die ersten 3,5 Jahre in einem Zwinger. Ist in der Zeit sehr reizarm aufgewachsen, kam so gut wie nicht aus dem Zwinger raus, war dort mit anderen Hunden. Der Zwinger ist dann irgendwann zwangsaufgelöst worden und sie kam zu einer Hundetrainerin, die mir sagte das Hera zu dem Zeitpunkt ein Wildhund war.

 

Sie ist mittlerweile ein fast normaler Hund, jedoch fallen mir deutliche Unterschiede zwischen ihr und meinem Rüden auf.

 

Hera lernt sehr viel langsamer und ist auch schnell demotiviert. Wenn sie nicht eine Schritt für Schritt Anleitung bekommt, so dass sie nicht denken muss, gibt sie frustriert auf oder ruft altes ab um damit zum Ziel zu kommen. Etwas anderes auszuprobieren und anzubieten kommt bei ihr nicht in Frage.

 

Warten und Geduld haben fällt ihr schwer, ist aber deutlich besser geworden.

 

Dinge die sie eigentlich schon gut konnte, z. Bsp. Autofahren ohne zu kotzen, verlernt sie wieder, wenn es nicht regelmäßig geübt wird.

 

Bei Fremden Menschen ist sie vorsichtig und auch mir gegenüber ist sie nicht so offen wie mein Rüde. Obgleich sie mir schon vertraut.

 

Sie ist viel selbstständiger, weil sie die ersten 3,5 Jahre ihres Lebens auf sich gestellt war und die Dinge selbst regeln musste. Sie hat gelernt sich in bestimmten Situationen sich auf mich zu verlassen (fremde Hunde, Straßenverkehr usw.) aber sie würde wohl in einer Stresssituation versuchen das irgendwie selbst zu regeln, wärend mein Rüde zu mir kommen und nach Hilfe fragen würde.

 

Sie verhielt sich, als sie dann zu mir kam, wie ein Welpe wenn sie sich wohl fühlte.

 

Sie spielt nicht mit mir oder anderen Menschen. Das hat sie nicht gelernt. Wir arbeiten daran, weil ich der Meinung bin, das es für die Beziehung gut wäre. Mittlerweile können wir Zieh- und Zerrspiele spielen.

 

Mir ist eigentlich egal wie man das nun nennt. Sie ist für einen Hund, der einfach nicht auf Menschen und Häuser geprägt wurde und reizarm aufgewachsen ist, normal. Aber im Vergleich zu einem Hund der gut geprägt und sozialisiert worden ist, ist sie unnormal. Für mich bedeutet das im Endefekt mit ihr etwas mehr Gedult zu haben, nicht zu verzweifeln wenn etwas nicht mehr klappt was vorher super lief und ihr die Dinge Schritt für Schritt zu erklären. Ach ja, und das wir niemals in die Stadt ziehen würden, damit wäre sie total überfordert :)

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hansgeorg

Hey

 

Worüber reden wir? Richtig! über das Deprivationssyndrom / die Deprivationsschäden.

Jeder biologisch interssierte kennt das, was in der Verhaltensbiologie unter dem „Kaspar Hauser Versuch“ und seinen folgen dem „Kaspar Hauser Syndrom“ zu verstehen ist.

„Kaspar Hauser Syndrom“ = „Deprivationssyndrom“ = „Deprivationsschäden“.

Deprivation/Isolation ist daher die Grundlage für das Entstehen eines Deprivationssyndroms.

Das wesentliche dabei ist, siehe Fett hervorgehoben Definition Kurzform:

„Deprivation w, [von latein. de- = ent-, weg-, privare = berauben], Reizentzug.

Zustand extremer Abschirmung gegenüber Umweltreizen.

(Quelle: „Lexikon der Neurowissenschaft, Bd. 1, S. 319, Spektrum Akademischer Verlag, 2000“.).“

Stichwort Isolationshaft, sie ist auch eine Form der Deprivation und kann zu einem Deprivationssyndrom führen.

Daraus lässt sich sehr leicht ableiten, dass nicht nur Welpen, sondern Hunde jeden alters der Gefahr von Deprivation/Isolation und ihren Folgen, also einem Deprivationssyndrom / Deprivationsschäden ausgesetzt werden können.

Deprivationssyndrom s, vom latein.de = ent-, weg-, privare =berauben, griech. Syndromos = übereinstimmend, E deprivation syndrome, Verhaltensstörungen, die als Folge sozialen Erfahrungsentzug auftreten, z. B. Apathie, große Unruhe, Stereotypien (zwanghafte monotone Bewegungen) und Störungen im normale Sozialverhalten. …

… Auch im späterenLeben kann sensorische oder/und soziale Deprivation zu mehr oder weniger schweren Schäden in der Persönlichkeitsentwicklung und zu psychopathologischen Syndromen führen.

(Quelle: „Lexikon der Neurowissenschaft, Bd. 1, S. 319, Spektrum Akademischer Verlag, 2000“.).

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