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Methodenvergleich am Beispiel: Wie würdet ihr vorgehen?


gast

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Nachdem im Ethik-Thema immer wieder die Frage nach der Praxis aufkam fände ich es ganz spannend, einmal an einem konkreten Beispiel zu vergleichen, wie denn die Leute mit den unterschiedlichsten Ansichten zum Thema positiv/aversiv/buntgemischt bei einer ganz gezielten Fragestellung damit umgehen würden. Als Beispiel stelle ich hier ein Verhalten meines Terrorkrümels zur Verfügung, an dem ich ehrlich gesagt noch gar nicht viel getan habe, weil sich die Situation einfach selten stellt und es auf der Prioritätenliste schlicht ziemlich weit hinten rangiert... :rolleyes: Ich könnte also auch Nachfragen zu Feinheiten beantworten, aber niemand müsste befürchten dass ich nun losziehe und die Vorschläge wildwütig ausprobiere! Es geht mir hier wirklich nur daran, am Bild deutlich zu bekommen, wo sich denn in der Umsetzung die Ansätze tatsächlich so grundlegend unterscheiden - oder ob sie nicht doch in der Praxis näher beieinander liegen, als man beim Lesen vermuten würde.

 

Also dann: Sandor und die Autos, wo sie nicht hingehören!

 

Ausgangslage: Sandor hat generell ein Problem mit Reizüberflutungen, Dazu gehörten auch Autos. Selbst in großer Entfernung befindliche Schnellstraßen haben ihn völlig aus der Bahn geworfen, im normalen Stadtverkehr war lange jedes einzelne vorbeifahrende Auto ein riesiger Stressor. Seine Reaktion darauf war sein übliches Muster: Schreiend in der Leine hängen und hinterher wollen. Früher war ruckzuck sein Erregungslevel da auf dem Punkt, dass er nichts mehr wahrgenommen hat, extremer Muskeltonus, schnelle hektische Atmung, aufgerissene Augen in denen man jede Ader gesehen hat, Quietschen und Schreien, Hektik. Ansprechbarkeit in diesem Zustand gleich Null.

 

Ist-Zustand: Auf den gewohnten Wegen und Straßen (meist mit Tempolimit, aber nicht überall) kann er die Autos inzwischen die meiste Zeit über ausblenden. Er geht gelassen seines Weges, schnuppert, bleibt stehen. Wird es etwas schwieriger versucht er zunächst, sich an mir zu orientieren, wendet sich mir zu, geht neben mir - das haben wir so etabliert. Ist der Erregungslevel aber durch andere Vorkommnisse bereits deutlich erhöht, dann hat er leichte Rückfälle in sein altes Verhaltensmuster: Nachrennen wollen, Anspannung, leises quietschen. Er ist dann zwar noch ansprechbar, aber es kostet ihn sichtlich viel Beherrschung, nicht voll zu reagieren. Auf ungewohnten Wegen, vor allem mit stärkerem Verkehr, tritt das alte Verhalten zunehmend je nach Erregungslage noch mal auf: Bei wenigen, langsam fahrenden Autos geht es, je mehr oder schneller sie werden desto mehr schießt er sich ab.

 

Problemstellung: Wenn wir irgendwo abseits unterwegs sind - meist betrifft das die Felder vor dem Hundeplatz, auf dem wir Treibball spielen - ist Sandor an sich durchaus in einem freudig-entspannten Schnuppermodus. Fahrräder und Jogger werden komplett ignoriert. Sieht er allerdings nur ein einziges Auto, durchaus auch in deutlicher Entfernung und sehr langsam fahrend, ist es vorbei, er rutscht sofort in einen nahezu unansprechbaren Modus (siehe oben) und wirkt insgesamt total gestresst. An ein ruhiges Schnuppern ist nicht mehr zu denken, er schreit dem Auto hinterher, und sogar wenn es schon eine Weile außer Sicht ist bleibt die Anspannung, er kann kaum normal gehen ohne herumzurasen oder zu quietschen. Insgesamt wirkt er so lange total gestresst, bis er wieder entweder in meinem Auto oder auf dem Gelände des Hundeplatzes ist; dort beruhigt er sich recht schnell wieder. Ähnliche Szenen haben sich übrigens auch im Wald abgespielt, wenn ein Forstauto kam. Dort brauchte er dann meist eine gute Viertelstunde, um wieder halbwegs normal zu wirken, war dann aber für den Rest des Spaziergangs noch extrem leicht auslösbar. Diese Waldspaziergänge haben wir allerdings wegen diverser anderer Gründe schon seit einiger Zeit gestrichen, dazu gibt es also keine aktuellen "Daten".

 

 

So, und nun die Frage: Wie würden eure jeweiligen Ansätze dazu aussehen? Und wieso? Weitere Nachfragen beantworte ich gern, wenn sie der Diskussion dienen, und wie gesagt, keine Angst was mit euren Vorschlägen nun an Umsetzung passiert, es geht um einen sachlichen Vergleich der Ansätze! (Außer natürlich ich entdecke hier die eine zündende Idee, auf die ich noch gar nicht gekommen bin - aber dann lasse ich es euch wissen! ;) )

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Eine tolle Idee, eine Diskussion anhand (d)eines konkreten Beispiels anzukurbeln.

 

Ich wüsste noch gern wie sich Dein Hund in und an Deinem Auto verhält,

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In meinem Auto ist er in einer offenen Gitterbox auf dem Rücksitz untergebracht. Darin ist er sehr entspannt während der Fahrt, je nach dem guckt er raus oder liegt da und schläft. Auch kennt er das Auto als "Pausenraum" während Wartezeiten. Auf dem Hundeplatz steht es meistens offen (also dem, wo wir immer sind), und er kam dort auch schon mal in Situationen, wo es ihm mit anderen Hunden zu viel wurde, auf die Idee sich einfach in seine Autobox zurückzuziehen. Ansonsten findet er bei meinem stehenden Auto den Kofferraum wundervoll, da sind nämlich u.a. seine Spielis drin. Mein fahrendes Auto von außen - hm, das hat er bisher nur im Zusammenhang mit der Werkstatt gesehen, und das ist wenig aussagekräftig weil er da durch die ganze Situation drumherum schon sehr aufgeregt war.

 

Ich hoffe, das war alles für deine Einschätzung wichtige?

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Da ich der Ansicht bin, dass fast alle Probleme, die Halter wahrnehmen, nicht nur der Situation geschuldet sind, die dem HH gerade Probleme bereiten, sondern sich sehr vieles bereits im Alltag aufschauckelt, lässt sich das für mich so nicht nur in der Situation beantworten. Ich achte einfach grundsätzlich immer darauf, dass möglichst kein Stress aufkommt,z.B. dass Hunde sich nicht zu sehr auf etwas fixieren oder hineinsteigern, selbst wenn es aus Freude ist, das unterbinde ich im Ansatz durch aversives Einwirken, wenn "nötig" (d.h. wie ich so oft schon gesagt hab, durch minimalste Einwirkung, so früh wie möglich, ein aufrichten des Körpers, wenn ich sitze z.B. oder ein strenger Blick verbunden mit einer Ansprache etc. das kann das erste, zweite dritte mal auch ein Körperblock eine Berührung sein, aber bisher war es immer so, dass es danach mit minimalster Einwirkung bereits zu Entspannung führt), wenn ich Hunde habe, die solche Baustellen wie Ausraster in anderen Bereichen haben, und dass ich Ruhe und Entspannung herstelle und dann lösen sich fast alle anderen Probleme von selbst. Dazu gehört auch, dass meine Hunde selten längere Zeit alleine sind und das mindestens ein Gassigang am Tag völlig stressfrei in reizarmer Umgebung stattfindet.

 

Ich unterbinde natürlich nicht jegliches Freudenverhalten, sondern nur solches Verhalten, wo die Hunde in kürzester Zeit nicht mehr ansprechbar sind und das Verhalten auf normalem Weg sonst nicht mehr stoppbar ist. Schwer zu erklären, wird sicher wieder völlig falsch verstanden. Ich meine damit, Hunde, die beim leisesten Anzeichen, dass es jetzt Futter gibt, bzw. wenn sie feste Fütterungszeiten haben, dann sehr penetrant werden und entweder kläffen, anspringen, herumrasen und man das nicht abstellen kann, solange man kein Futter hingestellt hat. Oder bei Besuch dass man weiß, nützt jetzt eh nichts, dem Hund das Freudengebell zu verbieten, solange der Besuch sich nicht hingesetzt hat,w erden die Hunde erstmal aufgeregt hin und her springen, den Besuch anspringen, herumkläffen etc.  Solange die Hunde dieses Verhalten zeigen würde, unterbinde ich es im kleinsten Ansatz, wenn sie dann gelernt haben, sich zu kontrollieren, dürfen sie freilich ein gewisses Maß an Freude zeigen, dass aber eben kein Stress sein darf, kein hochgepuschtes Verhalten.

 

Sehr oft ist Verhalten, dass HH als Freude empfinden eben nicht nur Freude, sondern übertriebene Freude und damit Stress, und das tagtäglich und meistens mehrmals am Tag, somit bleibt ein gewisser Bodensatz an Stress im Blut, und das führt dazu, dass die Hunde in anderen Situationen zu schnell explodieren z.B. Sehr oft wird  aufgeregtes Verhalten vom HH gar nicht als solches wahrgenommen, weil er es als normal empfindet, wenn der Hund bei Besuch einen Freudentanz macht, vor der Fütterung durchdreht, beim Verlassen des Hauses die ersten Meter kaum kontrollierbar ist oder im Auto ausrastet. Für mich ist jedenfalls kaum vorstellbar, dass ein Hund bei Autos total abdreht, aber ansonsten die Ruhe selbst ist. Der Hund muss lernen, seinen Erregungslevel bereits bei weniger aufregenden Ereignissen flach zu halten, dann erst ist es möglich, bei diesen extremen Erregungsleveln erfolgreich zu desensibilisieren. 

 

ein Hund, der z.B im Haus immer sofort bei jedem Geräusch die Ohren spitzt, dazu muss er nichtmal laut werden, ist unter ständiger Anspannung, normal sollte ein Hund lernen, zu unterscheiden zwischen Geräuschen, die dem Alltag zuzuordnen sind und unwichtig sind und solchen, die außergewöhnlich sind, es gibt aber viele Hunde, die bei jedem kleinste Geräusch, sofort die Ohren spitzen, den Kopf heben, angespannt sind, es gibt sogar Hunde, die jedes Geräusch melden, obwohl es tagtäglich derselbe Nachbar ist, der heimkommt. Daran sieht man z.b. dass der Hund permanent angespannt ist, solche Hunde haben dann nicht selten auch Probleme, die den Halter dann wirklich aufmerksam werden lassen, wie z.B. Leinenpöbeln.

 

Wenn trotzdem der Alltag dann in sehr ruhigen Bahnen verläuft, immer noch ein gewisses Problem z.B. mit Autos bleibt, würde ich an der Impulskontrolle und Frustrationstoleranz arbeiten, positiv! Reizangel, Longieren, Apportieren, aber kontrolliert und wenn du so eine Arbeit findest, wo er voll aufgeht, würde ich dabei zugleich Desensibilisieren,also während dem Longieren (nachdem das Etabliert ist), Autos vorbeifahren lassen, bzw. den Longierzirkel näher an eine Straße setzen. An der Straße würde ich den Hund geschützt hinter oder dich neben mir, immer weg vom Auto führen, nicht vor gehen lassen, solange er sich so zeigt. Und das würde ich durchsetzen durch Körperblock, nach hinten schicken, in aller Regel nehmen die Hunde das sehr schnell an, wenn sie aus Unsicherheit aversives Verhalten zeigen, sie sind regelrecht dankbar dafür, diese Alternative gezeigt  zu bekommen und bleiben dann selbst im Freilauf meist hinter einem, weil sie es stressfreier und entspannter empfinden.

 

Du schriebst woanders, dass Sandor beim Besuch des Trainingsplatz beim Aussteigen aus dem Auto ersmal totalhoch dreh,t, er bekommt dann sein Schütteltier und dann fährt er sich runte.r Ich würde genau das nicht machen, ich würde ihn für das Verhalten nicht noch belohnen, sondern entsprechend früher zum Termin fahren und dann solange den Hund im Auto warten lassen, bis er sich von selbst runtergefahren hat, oder mit einer entsprechenden Korrektur nachhelfen, das ist schwer zu erklären, weil es da sehr auf den Hund und deine eigene Energie ankommt, das kann man nur vor Ort nach Augenscheinnahme! Eine Erstmaßnahme wäre zB. nicht sofort aussteigen, sondern erstmal nur parken und abwarten, dann wenn Ruhe eingekehrt ist, aussteigen, dann wieder abwaten, nicht sofort die Türe aufmachen, dann wenn Ruhe eingekehrt ist Türe aufmachen, wenn er sich hochfährt, Türe wieder zu, dann wenn er enstpannt ist, Türe wieder auf, dann nicht sofort Leine dran machen, sondern wieder abwarten, bis Hund völlig gelangweiligt daliegt, dann erst Leine dran machen, wenn er nicht entspannt bleibt, was beim ersten mal der Fall sein wird, wieder warten, nicht weiter machen, nur selbst Ruhe ausstrahlen, Hund nicht anschauen, etc. etc. Dabei ist besonders wichtig, dass man sehen kann, ist der Hund nur still, oder ist er wirklich entspannt! Manche Hunde schaffen das auf dem Weg nicht, dann würde ich korrigieren, also wenn zuviel vorwärtsdrang da ist ,der Hund sich nicht zurücknehmen kann, nur im Kopf hat ,ich will raus, ich will da hin etc. Dasselbe Spiel aber auch im Alltag, immer mind. bis fünf zählen, oder auch bis 10 je nach Hund, bevor man den nächsten kleinen Schritt macht, wie leine dran, 10 zählen, dann wenn der Hund denkt, hier passiert eh nichts merh, kann ich mich auch hinlegen, dann nächster Schritt, Hund langsam aus dem Auto holen, dann sehen bleiben, wieder bis 10 zählen, langsam gehen, zeitlupe. Überhaupt mi tsolchen Hunden Zeitlupengehen üben! In der Ruhe liegt die Kraft!

 

Solche Situationen gibt es ggf. noch mehr im Alltag, die nicht ganz so deutlich sind, aber genauso von mir gehandhabt werden, solange der Hund kein ausgeglichenes Verhalten zeigt, er sich im Tempo nach mir richtet. Zum Toben und Spielen gibt es separate Zeiten, aber erst wenn Ruhe und Auslastung erfolg ist, nicht toben und spielen einsetzen, um Ruhe herzustellen!

 

Dann kommt noch ein Aspekt hinzu, dass ich auch noch darauf achte, wo fordert der Hund penetrant Dinge, die ihm besonders wichtig sind und wird dabei respektlos gegenüber mir, z.B. indem er mir Raum nimmt, die Couch nicht räumt, wenn ich mich da hinsetzen will, oder bedrängt oder anstubst oder ankläfft etc. weil er Futter will, spielen will, etc. Sowas lass ich auch nicht zu, entweder es wird "kurz" ignoriert, oder korrigiert, je nach dem.

 

D.h. nicht, dass er mir nicht zeige darf, dass er spielen will, da geh ich auch drauf ein, aber falls ich nihtc spielen will, wie verhält er sich dann, akzeptiert er es, oder wird er jetzt penetrant, das korrigiere ich dann, je nach Hund mal so oder so.

 

Korrekturen sind bei mir nie schmerzhaft, nie einschüchternd, sondern dem Hund angemessen, es muss als Korrektur ankommen, einen Aha-Effekt auslösen, das Gehirn einschalten und den Hund von seinem Trip runterholen, aber so, dass er sofort wieder locker ist und weiter freudig bei der Sache. Ist es anders, hat man zu stark korrigiert, es ist auch immer nur eine kurze Korrektur und anschließend ist immer alles wieder auf freundlich geschaltet. Ich ignoriere niemals längere Zeit, nur bis der Hund erkennt, Strategie funktioniert nicht, und das innerhalb weniger Sekunden! Wenn ich länger ignorieren müsste, würde ich Korrektur vorziehen!

 

Und wie gesagt, um zu wissen, wie korrigiert wird, muss ich die Situation mit Hund sehen und auch dich, fast alle Halter denken, ihr Hund ist entspannt und tut nichts, aber im Kopf des Hundes seh ich, dass er nur eins im Sinn hat, sein Ziel zu verfolgen, raus aus dem Auto, auf den Platz, oder ran ans Futter, oder Besuch begrüßen etc.

 

Das liegt oft daran, dass die Hunde über Kommandos gesteuert werden, damit baut sich eine unglaubliche angespannet Erwartungshaltung auf, die HH geben Kommando bleib im Auto und dann Spring raus, de rHund wartet also gespannt auf das Zeichen, Spring raus, los gehts, genauso beim Füttern, Sitz, und dann Nimm, das ist STress, und so hat man nur eine oberflächliche Stillhaltestellung, aber keine Enspannung.

 

Ich benutze das Wort "aversiv" auch nur deshalb, weil es mir sonst wieder  vorgeworfen wird, dass das was ich mache aversiv wäre. Für mich ist es lediglich ein Hinweis an die Hunde, "Moment, schalt mal dein Hirn ein, ich will das was du gerade vor hast, so nicht"

 

Die Belohnung ist dann sofort auf dem Fuß, sobald Entspannung gezeigt wird, darf der Hund sein Ziel erreichen, z.B. aus dem Auto, zum Futter, den Besuch begrüßen etc. Insofern lernen die Hunde aus zwei Seiten, erstens dass ihnen die Entspannung sowieso gut tut, 2. dass sie so schneller an ihr Ziel kommen. Wenn das dann erreicht ist, sind Korrekturen kaum noch nötig und wenn dann eben nur in minimalster Weise im Anflug des Gedankens, das kann dann auch nur ein Räuspern oder Augenbraue hochziehen sein das ist einfach nur eine Erinnerung, damit das Muster nicht bedient wird.

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Dass man vieles beim Sehen noch mal anders wahrnimmt ist mir durchaus klar - deshalb ja auch die Diskussion hier an einem Beispiel, das eben nicht brennt und von daher auch nicht die Gefahr in sich birgt, dass jemand nun aufgrund einer Ferndiagnose chaotisch loslegt.

 

Zu den angesprochenen Punkten: Sandors Alltag ist extrem strukturiert und auf wenig Stress ausgerichtet. Beim Warten aufs Futter liegt er gemütlich im Wohnzimmer, während ich in der Küche bin. Wenn ich wiederkomme wird gewedelt, aber das war's auch schon. An Spaziergängen gehen wir die immer gleichen Wege, eben weil ich weiß, wie sehr ihn neues überfordert; ganz insgesamt dosiere ich das Maß an Aufregungen im "Wochenplan".

 

Impulskontrolle allgemein funktioniert super gut, so lange er nicht in seinen reaktiven Bereich gerät. Frustrationstoleranz ist ebenso kein Thema. Im Spiel mit der Reizangel wird ein Stopp sofort angenommen, auch sonst bleibt er da voll ansprechbar. Aber das ist ja auch keiner seiner Trigger. Am Hundeplatz vorbeifahrende Autos kann er inzwischen völlig ignorieren - leider überträgt sich das nicht auf andere Situationen, er muss sozusagen jede Umgebung neu lernen, so wie er auch jeden Hund neu lesen lernen muss.

 

Auf die Aussteigesituation auf dem Hundeplatz hat es keinen Einfluss, wann er dort aussteigen darf. Ich bin ja ohnehin schon immer lange vor der Gruppe da, und je nach dem baue ich erst auf oder lasse erst den Krümel raus. Er wartet so oder so ruhig in seiner Box, ohne zu fordern. Natürlich ist er etwas aufgeregter, wenn es sofort losgeht, das macht in seinem Verhalten aber keinen Unterschied. Muss er erst noch warten, dann liegt er meist auch entspannt. Auch wartet er mit dem Aussteigen immer auf ein ok, das ist mir einfach wichtig dass mein Hund nicht rausspringt, kaum dass die Tür aufgeht. So was kann ja ziemlich böse enden. Beim Aussteigen selbst jedoch fährt er erst mal kurz hoch - aber wie gesagt, das ist eine Sache von nicht mal einer halben Minute, dann ist er wieder voll da.

 

Zeitlupengehen haben wir in gewisser Weise auch geübt. Ich musste ihm als jungem Hund erst einmal vermitteln, dass man auch draußen im eigenen Gleichgewicht stehen kann, ohne sich in die Leine zu lehnen. Dann haben wir geübt, dass man auch angehen kann und nicht jede Bewegung draußen explosionsartig starten muss. An Schnüffelspaziergänge wie heute war da nicht mal ansatzweise zu denken. Drinnen oder in bekanntem, geschützem Gelände wie eben auf dem Hundeplatz war das Bild dagegen völlig komplementär, da konnte und kann er sich hervorragend beherrschen und zeigt im Gegenteil sehr viel Entspanntheit und Ausgeglichenheit.

 

Laufen in einer Position nimmt er in ruhigen Situationen gut an, in für ihn aufregenden Situationen bemüht er sich zwar sehr, schafft das aber nur ganz kurzzeitig (wenn überhaupt) und gerät durch diese Beherrschung noch viel mehr in Stress, so dass er sofort explodiert. Sieht er zum Beispiel mehrere schnelle Autos, die ihn aufregen, und ich sage ihm nur ein "langsam" (also nicht voll in die Leine hängen), ohne mehr zu fordern, reagiert er meist mit zwei bis drei mal Schnauben und orientiert sich dann mit Blicken wieder an mir. Rufe ich ihn aber auch nur zu mir, dann kommt er zwar, wenn er das noch hinbekommt, fängt aber dabei schon das Schreien an. Und will ich eine bestimmte Position von ihm, dann fährt er ruckzuck wieder das volle Programm.

 

So weit die Hintergrundinfos hierzu.

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So, nun raus aus der reinen Beschreibung und ein Stück weit rein in meine persönliche Stellungnahme: Ich denke oft darüber nach, ob die Methodik, immer erst auf ein passendes Verhalten bzw. eine passende Stimmung die richtige ist. Rein lerntechnisch gesehen mag das durchaus richtig sein. Aber physiologisch hab ich dabei dann doch manchmal Bauchschmerzen.

 

In einem mäßigen oder maximal mittleren Belastungsbereich geht das sicherlich gut. Immerhin ist der Stress, dem der Hund durch das aufgenötigte Warten oder Position halten oder was auch immer entsteht, vorübergehend, und ist das Verhalten "ruhig bleiben bringt Erfolg" erst mal gelernt, sinkt der Stresspegel ja deutlich ab, auch unter den Ursprungswert. Kommt man aber in für den Hund schwierigere Bereiche, kann das ganz leicht auch nach hinten losgehen, oder? Immerhin schützt Aktion ja auch vor Stressfolgen, das ist nachgewiesen. Nicht umsonst finden auch viele Menschen den Feierabendsport als stressreduzierend. Und der wirkt noch nicht mal annähernd so gut wie er es könnte, wenn man seine Joggingrunden direkt nach einer stressigen Situation drehen könnte!

 

Verlange ich von meinem Hund in einer für ihn stressigen Situation also auch noch Selbstbeherrschung, gar über einen längeren Zeitraum, dann hat das deutliche Auswirkungen.

 

Ich schätze also, vor allem auch nach meinen Beobachtungen mit dem Krümel, dass man da besser immer zwei Aspekte gegeneinander abwägt: Was kann der Hund hier lerntechnisch für Schlüsse ziehen, und wie viel Stressbelastung kostet ihn das? Macht es dem Hund deutlich mehr Stress, zum von mir angestrebten "richtigen" Verhalten zu kommen, als er sich "leisten" kann, dann wird der Schuss auf die eine oder andere Art nach hinten losgehen.

 

Um bei dem Beispiel mit dem Aussteigen auf dem Hundeplatz zu bleiben: Sandor hat erst mal einen gewissen Stress durch seine Erwartungshaltung. Freudigen Stress zwar, aber dennoch Stress, wie Lorena es auch gut beschrieben hat. Meine Entscheidung war nun, ihn den kanalisiert kurz loswerden zu lassen, um dann wieder frei und entspannt agieren zu können. "Stresssumme": Das, was er da jedes mal an Vorfreude in sich hat.

Versuche ich nun, das durch Kontrolle zu lösen, passiert folgendes: Er würde gerne seine geballte Vorfreude loswerden, kann aber nicht. Beispielsweise, weil ich ein gesittetes Aussteigen verlange. Tut er dann auch, weil er gelernt hat, dass er anders nicht rauskommt. Summe: Vorfreudestress und Selbstbeherrschungsstress. Ok, nun ist er manierlich ausgestiegen, steht aber innerlich immer noch unter Spannung. Dann verlange ich vielleicht, dass er erst mal an der Leine brav ein Stück mitgeht. Und wieder was drauf auf die Summe... Bis zu einem bestimmten Punkt geht das gut. Er lernt, sich nicht so aufzuregen, weil erst noch a-b-c kommt, und alle haben gewonnen. Ist er aber schon per se sehr stressanfällig, wie eben mein Krümel, dann ist es ruckzuck so weit, dass seine Kapazitäten erschöpft sind. Was bedeutet, er zeigt entweder dann ein richtig explosives Verhalten, um den angestauten Druck auf einmal loszuwerden; oder er kann und darf auch das nicht, dann zieht sich das alles nach innen und tut körperlich sein unschönes Werk.

 

In so fern empfinde ich es immer als ein ganz feines Balancespiel, wie viel man da verlangen kann und wo es mehr Sinn macht, manches auch ein Stück weit laufen zu lassen. Und das schwierige ist, dass diese Schwelle je nach Hund auch sehr verschieden ist.

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Ein klassisches Beispiel für ein Training mit Gegenkonditionierung und Aufbau eines Alternativverhaltens.
Aversives Einwirken ist hier m.M. nach völlig fehl am Platz.
Meist ist dieses Verhalten jagdlich motiviert (schnelle Bewegung des Autos).
Das Training kann man schön kleinschrittig aufbauen.
 

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dann erklär doch mal, was du damit meinst, bitte :)

 

ganz allgemein gibt es für mich bei solchem Verhalten immer 2 Aspekte, die ich persönlich getrennt angehen würde:

 

1. Eigen- und Fremdsicherung

 

Das ist das, was ich bei solchen Diskussionen schon als "Situation managen" beschrieben habe. Dabei geht es mir gar nicht ums Training selber, sondern um Momente in denen ich weiß, dass wir das noch nicht können, wir aber grade keine Möglichkeit haben die Situation zu umgehen.

 

Bei Finn waren es lange Hundebegegnungen an der Leine... normal hab ich geschaut, dass ich außerhalb des Trainings Begegnungen vermeide, die noch zu schwierig für ihn waren... ging das nicht, habe ich ihn schlicht ausgehebelt und die Situation schnellstmöglich verlassen... Bei Sandor ist das ja auf Grund seiner Größe relativ einfach, weil man nicht wirklich Schwierigkeiten hat ihn zu halten, je größer und muskulöser ein Hund ist umso mehr Hilfsmittel würde ich einsetzen. Angefangen vom Maulkorb bis hin zum dünnen Halsband im Zweifel auch mit Zug und ohne Stop.

 

Da geht es mir, wie gesagt, überhaupt gar nicht um den Erziehungseffekt, sondern wirklich nur um die Sicherheit aller Beteiligten.

 

Baby Tyson, unser 40 kg Aggro-Gast (American Bulldog) ist ja auch einer, der Reize ganz schlecht verarbeitet (gegen Sandor allerdings wohl eher ein Blitzmerker :D ) Bei seinen Besitzern rastet er bei allem aus, was ihm entgegen kommt... Radler, Jogger, Kinderwägen, Hunde etc. und bei 40 kg Kampfgewicht ist das nicht wirklich lustig... da gehört schlicht alles an den Hund, was nötig ist um ihn so durch den Alltag zu führen, dass niemandem etwas passieren kann, auch ihm nicht!

 

und dann gibt es noch

 

2. Das Training

 

Da geht es mir darum, dem Hund die Möglichkeit zu geben zu verstehen, was ich von ihm möchte und dass es im beschriebenen Beispiel eben deutlich angenehmer für ihn selber ist entspannt zu bleiben...

 

Schwierig finde ich an deinem Beispiel, dass Sandor so extrem ist... das ist ja zum Glück nicht unbedingt  normal ;)

 

waaaaaahhhh... Nell hat keine Geduld mehr... ich schreibe später weiter :D

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