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Kann ein Hund, der nicht sozialisiert wurde, ganz normal werden?


Missyble

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Missyble

Hallo miteinander :)

 

 

Es geht um folgendes Thema, ich möchte gerne wissen, wie ihr das seht und warum ihr so denkt: Kann man alle Hunde, egal welche Vorgeschichte er hatte, egal wie er im Charakter ist, egal welche Rasse, was die Erziehung anbelangt, immer zum gleichen Endergebnis in der Erziehung gelangen? Ich drücke mich beschissen aus, ich weiß :D

 

Ich für mich, habe diese Frage mit "nein" beantwortet. Vor noch ziemlich genau 2 3/4 Jahren, hätt ich sie anders beantwortet. Verändert hat sich mein Denken, durch meine Hündin. Ich bekam sie im Alter von 4,5 Jahren. Sie saß die ersten 3 Lebensjahre im Zwinger und wurde sehr schlecht bis gar nicht sozialisiert. Sie ist ein Mix aus Alaskan Husky, Deutsch Kurzhaar und Vorsteher, sie ist ein Hound, ein Schlittenhund, gell Kareki ;)

 

Nun wird es niemanden verwundern, dass dieser Hund Jagdtrieb hat. Mich hat das auch nicht verwundert. Was mich jedoch schon etwas verwundert hat, war ihre Mentalität: "Ich brauche weder Mensch noch Hund". Das kenne ich von Hunden bisher in dieser Form überhaupt nicht. Es ist nicht so, dass sie die Vorteile nicht erkennen würde. Nur deshalb ist sie noch bei mir, denn in unserer Anfangszeit durfte sie noch frei laufen. Keine gute Idee was ich nach relativ kurzer Zeit feststellen musste.

 

Nun, zu diesem Zeitpunkt dachte ich auch noch, dass ich das schon hinbekomme. Rückruf anständig aufbauen funktioniert bei jedem Hund. Leider musste ich feststellen, dass ich es bei Hera nie geschafft habe, einen anständigen, verlässlichen Rückruf zu konditionieren. Und das liegt nicht daran, dass sie das nicht könnte. Wenn sie Bock hat dreht die im Flug um und kommt im Eiltempo zurück. Ich hätte früher ja geantwortet, wenn das so ist, dann ist der Rückruf eben nicht richtig konditioniert. Aber glaubt mir, ich weiß wie ein Rückruf aufgebaut wird. Ich habe einen Jack Russel Rüden, den ruf ich auch von der Hatz ab wenn es sein muss.

 

Jetzt ist meine Theorie, das manche Hunde, die z. Bsp. sehr schlecht sozialisiert wurden und vielleicht den entsprechenden Charakter haben, und vielleicht noch bestimmte Rasseeigenschaften, nie diese enge Bindung eingehen werden, wie es ein Hund tut, der eben entsprechend sozialisiert wurde.
Hera saß wie gesagt die ersten 3 Lebensjahre in einem Zwinger der zwangsaufgelöst wurde, weil sich niemand um die Hunde kümmerte. Sie hat die ersten drei Lebensjahre gelernt, dass sie für sich selbst verantwortlich ist. Das wenn sie sich nicht selbst kümmert, sie verloren ist. Sie musste alles selbst Regeln. Sie hatte furchtbare Angst vor Menschen. Sie kannte gar nichts, war total verängstigt.

 

Nun ist sie bei mir und nun soll sie diese einschneidenenden drei Jahre vergessen haben? Ja, Hunde leben im Hier und Jetzt. Aber sie haben die Dinge doch nicht vergessen. Sie sitzen sicherlich nicht da und denken über ihre Vergangenheit nach, aber es hat doch psychische Spuren hinterlassen und den Charakter des Hundes mitgeformt. Auch sein Verhalten in Stresssituationen usw.

 

Klar, ich mache große Fortschritte..... äh, Hera macht große Fortschritte (sie ist nun fast 3 Jahre bei mir). Man hat schon Möglichkeiten auf den Hund einzuwirken. Jedoch glaube ich nicht, das je nach Charakter des Hundes und je nach gemachten Erfahrungen, der Hund ein "normaler" Hund wird.

 

Ich habe ehrlich gesagt aufgegeben was den Freilauf anbelangt. Das auch aus gutem Grund. Sie läuft, nachdem sie ein Reh (sauber) getötet hat, immer an der Schleppleine. Ich werde diesen Tag wohl auch nie mehr aus meinem Gedächtnis bekommen.... wie ich dann beim heulend Jagdpächter stand.... der total lieb zu mir war, und mich beruhigte.....

 

Sie macht auch Unterschiede, ob wir im Haus oder draußen sind. Draußen tendiert sie immer wieder dazu, die Dinge selbst regeln zu wollen. Ich habe keine Probleme mit Hundebegegnungen oder so, aber wenn z. Bsp. ein Sturm aufkommt, ein Gewitter o. ä. dann möchte sie sich ins Gebüsch schlagen. Mein Rüde orientiert sich im Zweifel immer an mir. Meine Hündin hat dann auch mal eigene Ideen. Ich muss sie dann tatsächlich hinter mir herziehen, bis kein Gebüsch mehr da ist, dann läuft sie mit. Es geht da also mehr um Dinge die ihr Angst machen, in denen sie sich weniger an mir orientiert und sich mehr auf sich selbst (und/oder ihre Instinkte?) verlässt.

 

Sie ist so ganz anders, als andere Hunde die ich kennenlernen durfte. Wenn ihr wollt, könnt ihr euch noch ein Video ankucken von meiner Maus, aber das tut eigentlich nichts zur Sache, nur falls es euch interessiert ;)

 

Ich hoffe auf einen spannenden und regen Austausch. Jeder ist hier gerne mit seiner Meinung gesehen. Jedoch fände ich es schön, wenn eine Diskussion auch erlaubt ist, falls es etwas zu diskutieren gibt :)

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Lupinchen

Maus kam mir grottigen Sozialverhalten gegenüber Artgenossen bei mir an und hat auch nach 4,5 Jahren bei mir keine wirklich bessere Einstellung.

Und wir haben es wirklich versucht mit ausgewählten Einzelhunden, Gruppentreffs, Zeigen und Benennen, Klickern ect ect..

 

Sie wird nie ein Hund werden, der fremden Hunden offen entgegen tritt und mittlerweile zwinge ich sie auch nicht mehr dazu es unbedingt zu lernen.

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Betty2168

Hallo,

 

das große Problem ist doch, daß Verbindungen im Gehirn, die während der Sozialisierungsphase angelegt werden, bindend sind. Das heißt, was dort NICHT angelegt ist, ist auch unwiederbringlich verloren. 

 

Meine Maus ist nun 8 Jahre alt. Kannte bis zum Alter von etwa 13 Wochen nur Frauen und davon auch nur wenige. Ist reizarm aufgewachsen. Sie hat einfach gewisse Dinge "verpasst" und die sind nicht mehr aufzuholen. Man kann mit Training Vieles erreichen oder gar mit Alternativverhalten überlagern. Ein "Umpolen" wird nicht mehr möglich sein.

Ronja ist umweltunsicher. Das kann ich nur durch Vertrauen in mich quasi auffangen, indem sie sich an mir orientiert und darauf vertraut, daß ich sie beschütze und das regele. UmweltSICHER wird sie nie werden. Es sieht vielleicht nach außen so aus, aber wenn ich sie sprichwörtlich alleine lasse, fällt sie in alte Muster. 

 

Liebe Grüße

 

BETTY und Ronja

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KleinEmma

Ich denke, mit manchen Hunde ist es möglich, dass sie "normal" werden. Mit meiner vorigen Hündin hat es nicht geklappt.

 

Sie kam als 1-2 jährige Hündin zu uns. Ihr Vorleben kennen wir nicht. Sie sah jedenfalls nicht gut aus und war aggressiv gegenüber Artgenossen. Das hat sie auch nie abgelegt.

 

Sie hat auch ihr ganzes Leben Angst vor Plastik-Wasserflaschen gehabt. Also manches vergessen Hunde bestimmt nicht. Ich könnte noch mehr aufzählen, denn sie hatte vor einigen Dingen Angst. 

 

Lucky kam als Einjähriger zu uns und er war sehr freundlich zu Mensch und Tier. Er hatte Angst vor Stöcken und somit auch vor der Angel meines Mannes. Obwohl wir ihm zeigten, dass die Angel nichts Böses tun wird, bzw. wir ihn damit nicht schlagen, ist er jedesmal in Deckung gegangen, wenn mein Mann die Angel aufnahm oder ein anderer Mensch einen Stock in der Hand hatte (z.B. Walking-Stöcke).


Hat sich überschnitten Betty. Deine Erklärungen waren sinnvoller :)

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Bei deprivierten Hunden kann man Besserungen erzielen, aber gewisse Defizite werden immer spürbar sein. Man merkt das ganz deutlich im Vergleich zu gut sozialisierten und habituieren Hunden, dass da ein Unterschied ist. Je nach Grad der Deprivation kann man sehr gute Erfolge haben und fast normal leben, aber es gibt auch Fälle, wo man es immer wieder merkt.

Akuma kann mittlerweile sehr viele Dinge, die ich so nicht geglaubt habe, aber er weist auch deutliche Defizite auf, mit denen er wahrscheinlich bis zu seinem Lebensende Probleme haben wird. Was besser geworden ist: Durch mein Wissen mit ihm umzugehen, kam es zu keinem kompletten "Reset" mehr. Würde ich ihn aus der Hand geben, ohne gewisses Regelwerk... ich wills nicht ausprobieren.



Nur mal zum anlesen:
http://angsthund.de/content/deprivation/scholl/



EDIT
Ich kann später auch noch genauer schildern, wenns wer lesen mag :)

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Hallo,

 

das große Problem ist doch, daß Verbindungen im Gehirn, die während der Sozialisierungsphase angelegt werden, bindend sind. Das heißt, was dort NICHT angelegt ist, ist auch unwiederbringlich verloren. 

 

Interessant, so ähnlich hat mir das ein sehr bekannter Hundetrainer auch erzählt. Er meinte die Synapsen seien zu und was der Hund nicht bis jetzt gelernt hat, das wird auch in der Zukunft nicht mehr klappen.

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Meine Hündin Lulu hat ihre ersten 5 Jahre in einem italienischen Canile verbracht. Dann war sie ein Jahr auf der Pflegestelle mit 2 anderen Hunden. Dort zeigte sie sich sehr ängstlich und hat sich  an den vorhandenen Hunden kaum orientiert. Als sie zu mir kam, war es so, dass sie nach stetigen Fortschritten in den ersten 6 Monaten, richtig krasse Rückschritte gemacht hat, so dass ich mich für eine  Anamese und Einzelstunden bei einem  auf Tierverhaltenstherapie spezialisierten Tierarzt entschieden habe. Dieser sagte mir gleich zu Beginn, dass meine Hündin unter Deprivation ( Kaspar-Hauser-Syndrom ) leidet. Er war der Ansicht, dass nie in der Lage sein wird, wie andere Hunde Reize zu verarbeiten oder zu generalisieren.

Bei Hunden wie Lulu sei das  A&O vernünftiges Stressmanagement, damit sie nicht überfordert wird. Wenn man das beachte könne, man sehr gut mit so einem Hund leben.

 

Und ich muss sagen, für mich gesehen hat er Recht. Aus meiner Sicht ist Geduld alles. Die Verbindungen, die sich in der Prägephase bilden, mögen zwar unrettbar verloren gegangen sein, aber Lulu hat sich prima gemacht, so nach 2 Jahren war eigentlich schon alles im grünen Bereich.

 

Mit Lulu kam übrigens ein Rüde mit nach Deutschland, der am Anfang viel änstlicher als Lulu war. Der hat sich ganz schnell entwickelt und ist jetzt total aufgeschlossen Fremden gegenüber und definitiv umweltsicher..

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Missyble

Also ich finde es schon auch erstaunlich, wie sehr Hera sich gemacht hat. Sie geht in fremde Häuser recht entspannt rein. Sie lässt von mir sehr viel Nähe und Enge zu. Sie sucht Schutz bei mir, sie geht sogar neugierig auf Fremde zu, lässt sich aber nicht anfassen. Sie ist echt toll geworden. Also die Sache mit der Angst haben wir echt gut hinbekommen.

 

Mir ging es eigentlich darum, das man immer sagt, man kann jedem Hund einen zuverlässigen Rückruf antrainieren. In jeder Situation. Oder jedem jagenden Hund das Jagen abtrainieren..... Ich finde, das hat auch etwas mit der Bindung, die der Hund eingehen kann zu tun. Und auch mit der Erfahrung die er in seinem vorherigen Leben gemacht hat zu tun.

 

Wo ich einen deutlichen Unterschied merke, z. Bsp. was das Lernen von neuen Tricks angeht. Das funktioniert erstens viel langsamer und sie arbeitet nicht aktiv mit, sonder möchte alles vorgekaut haben. So können wir gar nicht jeden Trick erlernen.

Oder was die Zuverlässige Ausführung angeht. Sie hat einfach einen sehr starken eigenen Willen. Sie kennt die Kommandos, führt sie auch super toll aus wenn sie möchte, aber wenn sie was anderes wichtiger findet, dann stößt man auf taube Ohren.

Im Zweifel verlässt sie sich eher auf sich selbst, als auf mich, obwohl wir eine sehr enge, vertrauensvolle Bindung aufbauen konnten.

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