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Deprivationssyndrom


gast

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bunterhund

Gudrun, Tosch war mir von allen Forenhunden her am nächsten - keine Ahnung warum. Meine Hündin hat ja angeblich auch ein paar Dobermann-Gene.

 

Die Frage beantworte ich mir auch immer wieder so. Allerdings überprüfe ich das regelmäßig in meinem Kopf, weil es eben keine normale Hundehaltung darstellt. Mach ich das richtig so, wie ich es mache?

Ich habe zum Glück einen Garten und habe extra eine angrenzende Wiese dazu gepachtet. Auf diese Grundstücksgröße komme ich jedoch nicht. 

Schnüffelgärten wollte ich schon lage besuchen. Das wäre vielleicht auch für die anderen Hunde hier eine Idee. Einfach mal Google fragen... Könnte mir sogar vorstellen, meinen Garten dort eintragen zu lassen, damit absichtlich fremde Gerüche das Leben abwechslungsreicher gestalten. Allerdings ist Besuch auch wieder Stress.

 

Ich habe zudem noch das Pech, dass sie Epilepsie hat. Zwar sind die Anfälle selten, aber schon alleine deswegen gilt es, Stress zu vermeiden.

 

Sie geht ausgesprochen gerne Gassi. Aber ich habe den Eindruck, dass sie in dem Moment gar nicht weiß, wie "schädlich" das für sie ist. Ein 5 jähriges Kind würde vielleicht auch den ganzen Tag über Fernsehen und Süßes essen, dabei total überreizen und unausstehlich werden, aber dennoch die Glotze nicht nach 30 Min. eigenständig ausschalten.

Nach einer Gassirunde ist sie erstmal aufgedreht und braucht eine Pause. Daher sind häufigere Runden gar nicht sinnvoll. Ich habe das schon sehr sehr stark reduziert.

 

Außenstehende denken, sie ist noch enorm jung. Dabei ist sie nun schon sieben Jahre alt und draußen noch immer ein scheinbar unerzogener Wildfang. So nehmen andere sie wahr. Die Trainingsfortschritte beim Gassi sind minimal. Die Traininsgfortschritte drinnen jedoch gut. Auch bei einer Freundin im Garten kann sie diese inzwischen abrufen. Es gibt feine Fortschritte, die aber so niemandem auffallen...

Ich behaupte, dass diese Hunde lernen können. Aber lernen kann man nur, wenn man nicht so stark unter Stress steht. Also sollte der Stress m.E. komplett zurückgefahren werden - auf ein Level, bei dem der Hund fähig ist zu lernen. Dann kann das gesteigert werden. Das kann lange dauern... oder gar nicht möglich sein.

Der Alltag funktioniert aber nicht so planbar. Die halbwegs entspannte Runde im Wald kann plötzlich stressig werden, sobald ein Schuss fällt, ein Hund auftaucht oder ein Auto anhält etc. 

 

Und es sind immer wieder Kleinigkeiten, die meinen Hund aus der Bahn werfen. Autos sind ok. Viele Autos machen sie nervös. Wald ist in Ordnung. Ein einzelnes Auto im Wald ist ok. Ein Auto was im Wald anhält zieht jedoch jegliche Aufmerksamseit auf sich... Kein Mensch wird verstehen, was in diesem Kopf vorgeht und warum der Hund dann nicht mehr ansprechbar ist...

 

Erstmals wurde ich auf das Deprivationssyndrom ca. 2011 aufmerksam. Eine Trainerin sieht das bei ihr, eine andere nicht. Es ist egal. Meine Hunde sind wie sie sind. Meine Kleine ist deutlich ängstlicher, richtig panisch dabei und fürchtet um ihr Leben, wenn sie jemand anfassen will. Trotzdem ist sie "anders". Jeder Hund hat das Recht geliebt, respektiert und gefördert zu werden. Egal, welche "Diagnose" dahintersteht oder eben auch nicht. Deprivationshunde sind ja auch nicht alle gleich. Es gibt also kein Patentrezept. Hier im Forum werden sich fast alle Gedanken um die Bedürfnisse ihrer Hunde machen. Im Alltag sehe ich das nicht immer, z.B. wenn Hunde mit eingeklemmter Rute durch den Hauptbahnhof gezerrt werden. Die Hunde tun mir dann leid. 

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Hallo bunterhund,

 

guck, das wollte ich dir auch noch schreiben, bin ich eben drüber weg gekommen.

 

Kannst du deine Hündin hinter dich bringen? Hast du so etwas schon mal versucht? 

 

Bei Minos konnte ich feststellen, dass er, wenn er hinter mir läuft, deutlich ruhiger wird, egal ob an der Leine, oder auch im Freilauf. 

Ich weiß nicht genau, woran es liegt, kann es mir nur so erklären, dass ich dann als diejenige, die vor im läuft, ihn aus der Pflicht nimmt, alles zu checken und zu scrannen.

 

Wobei ich das heute nur noch relativ selten mache, denn mittlerweile kann er relativ gut damit umgehen, auch mal vorne zu laufen. Wenn ich allerdings merke, dass er wegen seines Jagdtriebes ständig mit der Nase am Boden klebt, dadurch zu viel "Dope" aufnimmt und mir abschmiert und mich ausblendet, dann wende ich das schon noch an, bzw. packe die Flexi-Gurt dran.

 

Jetzt im Winter und bei kälteren Temperaturen sind die Gerüche wieder intensiver.

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bunterhund
Kannst du deine Hündin hinter dich bringen? Hast du so etwas schon mal versucht?

Ich habe damals sehr viel ausprobiert...

Meist bin ich froh, wenn sie überhaupt auf mich reagiert. Hinter mir geht sie absolut nie freiwillig. Kein Signal der Welt hält sie an dieser Stelle. Blocken und so hab ich auch versucht. Sie ist sofort wieder vorne. Als Signal kennt sie das durchaus, aber es ist nicht alltagstauglich.

 

Manchmal praktiziere ich genau das Gegenteil. Sie darf mich ziehen. Wir laufen dann gemeinsam ein Stück... Das geht aber nur, weil sie in dieser Situation auch "laaaangsam" kennt, damit wie wieder anhalten können. Recht bald allerdings hat sie gar kein Interesse mehr am Ziehen (da sie ja lediglich schnelles zick-zack laufen will) und ich muss sie anfeuern... Danach ist sie meist ein wenig konzentrierter.

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Gut üben kann man das Hinter laufen, wenn man an einer Mauer oder Hecke entlang geht und da dicht aufschließt, so dass die Seite "dicht" ist, oder mit einer zweiten Person, wenn du das vielleicht noch mal versuchen möchtest. Aber wenn es nicht ist, dann ist es nicht. :)

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bunterhund

Jaaa... sie "kann" es ja, also sie kennt das Signal. Ebenso wie sitz, leg dich und bei Fuß gehen. Draußen ist jedoch fast alles nicht abrufbar.

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Okay, ich hole nochmal aus. Die Geschichte mit meiner Ömi Eisbär, die ganz früher im Tierheim Zila, später dann dort Sue Ellen und bei mir eben Ömi Eisbär hieß, ist für mich nach wie vor eine ganz Besondere.

 

Ich habe sie damals nicht bekommen oder adoptieren wollen, ich wollte eigentlich überhaupt keinen Zweithund, aber die Ömi hatte mich ausgesucht und beschlossen mir ihr Vertrauen zu schenken und das nachdem ich einfach fünf Tage lang über siebenhundert Futternäpfe, neben dem Tisch abspülte unter dem sie sich vor allen verkrochen hatte. Ömi hatte Angst vor dem Geräusch, wenn ich das Wasser abließ und so machte ich es mir zur Gewohnheit mit ihr unbefangen zu plaudern und sie zu warnen, wenn "Gefahr" drohte und beruhigend auf sie einzuwirken, damit sie sich nicht erschreckt. Am fünften Tag stand dieses extrem scheue, uralte Punktetier auf, kam zu mir und legte seinen Kopf an mein Bein. In dem Moment rang sie mir auch das Versprechen ab, dass ich sie da raushole. Das habe ich ein halbes Jahr später auch gemacht. 

 

Damals im April 2012 stieg ich dann aus dem Flieger, zog meine Gummistiefel an, weil es wie aus Eimern schüttete und dann lief ich vom Flughafen zum Tierheim. Dort angekommen, schnappte ich mir Gaia die Tierärztin und Marco einen super tierlieben Helfer vor Ort und wir gingen zu Dritt, zu dem Gehege, in dem die Ömi saß. Ich hab sie gerufen und sie getraute sich, wegen den Zweien nicht zu mir zu kommen. Also hab ich Marco und Gaia rausgeschickt. Als die beiden die Gehegetür von außen geschlossen hatten, kam das Ömchen wirklich sofort zu mir, hat sich anfassen und streicheln lassen. Wir kannten uns zu diesem Zeitpunkt genau zehn Tage und hatten uns ein halbes Jahr vorher das letzte Mal gesehen. Sie hatte einfach beschlossen "mein" Hund, meine Freundin zu sein. Das Vertrauen, dass sie mir vom Zeitpunkt ihrer Entscheidung an entgegengebracht hatte, war ab da immer da, bis zu unserem Abschied.

 

Sie war einfach ein ganz besonderer Hund. Ich habe wirklich monatelang jeden Abend meine Matratze auf dem Boden neben ihrem Kissen platziert und dort geschlafen, um ihr die Nähe zu gebe, die sie all die Jahre vermisst hat. Danke an dieser Stelle an meinen allerliebsten Lieblingsmenschen, der das wirklich immer verstanden hat. Wir haben bei Feuerwerk oder Gewitter die Bettdecke über uns gezogen und dort zusammen ausgeharrt, bis der Spuk vorbei war. Nach dem ersten Mal kam sie immer, wenn es geknallt hat von selbst ans Bett getrapst damit wir uns unsere Deckenschutzhöhle bauen und uns verkriechen können.

 

Sie ist draußen im belebten Waldgebieten nicht Weg gelaufen, sondern immer im Unterholz im Abstand von mindestens zwanzig Metern, immer parallel zu mir und Mine. Manchmal war der Abstand auch wesentlich größer. schlicht damit sie keiner sieht. Mir zuliebe wäre bzw. ist sie auch an der Leine gegangen und in manchen Situationen haben wir das auch gemacht, aber sie mochte sich lieber frei geschützt bewegen dürfen. Nach ca. einem Jahr gab es dann tatsächlich mal einen Jagdhund, der sie entdeckt hatte. Er war an der Schleppleine und hatte sie erschnuppert. Ömi Eisbär war trotz dieser großen Distanzen von teilweise mehr als hundert Metern immer zuverlässig. Wenn Freunde dabei waren und wir uns irgendwo zur Rast niedergelassen haben, hat man sie nicht gesehen. Ich wurde immer gefragt, wo sie denn jetzt ist. Das konnte ich nicht beantworten, ich wusste nur dass sie da ist und uns im Auge hat. Sind wir gegangen, kam sie aus ihrem weit entfernten Versteck heraus und ist im Abstand wieder mit uns zum Auto gelaufen. Waren wir in Gegenden, wo keine Leute spazieren gingen, die Gefahr von Menschen und Hunden gering und wir nur zu dritt, oder zu viert waren, blieb sie immer nahe bei mir und Minchen. Sie konnte außer bleib kein einziges Kommando. Sie war eine phänomenale Beobachterin und hat wirklich jedes Wildtier vor mir und Mine entdeckt. Ich musste nur Ömi´s Blicken folgen und habe Fuchs, Reh, Waschbär etc. zu Gesicht bekommen. Mine weiß von diesen Begegnungen bis heute nichts, obwohl sie dabei war. Auch gibt es so einige tägliche Gassigänger, die nie bemerkt haben, dass ich damals mit zwei Hunden unterwegs war.

 

Was sich verloren hat nach einem erneuten Besuch auf ihrer Heimatinsel, war ihr Angsttrippelschritt. Sie hat die ersten Monate immer kurze schnelle Schritte gemacht. Nach einem Wanderurlaub auf Sardinien, wo wir lange überlegt haben, ob wir ihr mit 14 Jahren so eine stressige Reise zumuten können, hat sie es uns allen gezeigt. Sie hat ihre Heimat sofort wiedererkannt und das Leben in Freiheit dort genossen. Es gibt da außerhalb der Saison auch wenig Menschen auf vielen Quadratkilometern. Wir kamen wieder und mein Freund konnte gar nicht fassen, wie stark der Selbstbewusstseinsschub in ihrer ganzen Haltung sichtbar war. Sie lief da zum ersten Mal wirklich wie der große majestätische Herdenschutzhund, der sie eigentlich war, zwar immer noch geschützt im Unterholz, aber mit einer anderen aufrechteren Körperhaltung.  

 

Die Ömi hat wirklich auch herzensgute, tierliebe Menschen auflaufen lassen. Wenn auch nur annähernd für sie spürbar war, dass ihr Gegenüber von ihr erwartete, dass sie doch endlich merken soll, dass man es gut mit ihr meint, machte sie dicht und zog sich komplett in sich selbst zurück. An der Stelle taten mir immer meine Freunde, die seit Jahren selbst Hunde haben und sich redlich bemühten, leid.

 

Wir haben viel den Menschenkontakt geübt und da auch einige Fortschritte gemacht. So einige Abende haben wir gegen halb neun am Abend, wo nicht mehr viele Leute einkaufen gehen, vor einem Supermarkt gehockt und ganz in Ruhe auf Distanz Menschen beobachtet. Entspannt war die Ömi dann, wenn sie auch Leckerlie in solchen Situationen annahm und das konnte sie irgendwann, nicht immer aber ausreichend oft. Vieles hat sie auch einfach mir zuliebe gemacht. Sich in der hiesigen Menschenwelt und Zivilisation zurechtfinden zu müssen war nicht ihr Ding. Sie wusste, dass sie mit mir in dieser Zivilisation lebt und dass ich weiß, wie das da läuft, dass hat ihr gereicht. Ich war da, auf mich war Verlass und das war gut so.

 

Daheim in geschützter Umgebung war die Ömi ein liebevolles Kasperlemädchen. Es gab ein Ritual, dass ich immer vermissen werde. Früh morgens, wenn ich langsam meine Augen aufmachte und zu ihr lugte, freute sie sich wie Bolle. Dann schubberte sie sich auf den Rücken liegend einmal komplett im Kreis und grunzte vor Freude darüber, dass ich endlich wach war; - dass ist echt besser und eindrucksvoller als jeder Kuss am Morgen. Lebensfreude pur :) Der Mine, die beim Essen klauen eher zurückhaltend war, hat sie wirklich jeden Blödsinn beigebracht, der sich nicht gehört und da Mine eine sehr eifrige Schülerin ist, wirkt Ömis Einfluss da bis heute noch nach. Sie hat Taschen kontrolliert und da alles fein säuberlich rausgezogen und danebengelegt, was nicht essbar war.

 

Meine Ömi Eisbär hatte ganz viel Angst, war auch motorisch dadurch leicht gehandicapt, aber irgendwie war unser Weg gar nicht diese Ängste alle zu besiegen, sondern vielmehr, dass sie selbstbewusst ihre Angst und ihr durch ihre Erlebnisse geformtes Wesen, ihre Persönlichkeit trägt. Die Geschichte und Prägung war gar nicht abzuschütteln, das ist auch Quatsch, weil sie einfach genau so geworden ist, durch das was sie erlebt hat. Vertrauen in sich zu haben, dass sie Distanz braucht und will, dass das okay ist, dass sie so sein darf, dass sie niemanden vertrauen muss, wenn sie nicht will. Da haben wir in den zwei Jahren, die wir noch gemeinsam hatten echt Berge versetzt.

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Eine sehr berührende Geschichte, Federica. Ich ahne, wie sehr sie dir fehlen muss ...  :kuss:

 

Danke Marcolino! 

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Federica, das hast Du wunderschön geschrieben. Ich wünsche Dir, dass deine Ömi Dir immer das Herz wärmt.

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